| Zusammenhänge  – neu gesehen Gerechtigkeit und Kapital Klaus Buschendorf Gerechtigkeit verbinden die  meisten Menschen sofort mit Richtern und Gesetzen. Sie setzen Maßstäbe und  fällen Urteile. Aber: Man muss sie bezahlen! Ohne „Gerichtskostenvorschuss“  geht fast nichts in unserer Gesellschaft. Und als besonderes Entgegenkommen des  „Sozialstaates“ will der Gesetzgeber verstanden wissen, dass Menschen mit  minderen Einkommen einen „Antrag auf Erstattung der Gerichtskosten durch den  Staat“ stellen können. Der wird gewährt bei „Aussicht auf Erfolg“. Erst wenn  man ihn braucht, bemerkt man den Pferdefuß: Man muss ihn zurückzahlen, später,  in Raten. Das heißt nichts anderes: In unserem „Rechtsstaat“ muss man sich den  Beistand von Gesetz und Richtern „kaufen“! Und das geschieht nicht einmal nach  der alten Kaufmannsregel: erst die Ware, dann das Geld. Nein, der „Käufer“, der  sein Recht sucht, muss in Vorkasse gehen! Erst das Geld, dann der  Rechtsbeistand – so ist die Regel im „Rechtsstaat Bundesrepublik“. Ist nicht  logisch, dass der am Ende siegt, wer sich „mehr Rechtsbeistand“ leisten kann?  Und ist nicht der „Vergleich“ die angestrebte Form des Urteils heute? Kommt  dieser „Vergleich“ nicht meist unter dem Druck der einen Seite zustande, die  „nächste Instanz“ nicht mehr bezahlen zu können? Das soll dann „Recht“ sein,  was am Ende steht? Eine Seite macht immer „Ver ...“, wie man im Volksmund sagt.  Es ist die Schwächere – die „Kapitalschwächere“. Rechtsanwälte, Staatsanwälte,  Richter erleben das täglich. Es wird ihnen zur Normalität. Womit man umgeht,  hängt einem an, sagt der Volksmund wieder. Es kann gar nicht anders sein:  Dieses „Rechtssystem“ kann sich (einschließlich ihrer Akteure) nur am Geld  ausrichten. Die Gerechtigkeit muss auf der Strecke bleiben.  Aus dem „Unrechtsstaat DDR“ kenne  ich keinen „Gerichtskostenvorschuss“. Es gab viel weniger Rechtsanwälte. In  jedem Betrieb gab es „Schiedskommissionen“, mit denen kleinere Differenzen  „unter Kollegen“ geschlichtet wurden. Das klappte meistens. Im Allgemeinen galt  als verpönt, „aufs Gericht“ zu gehen. Man regelte das meiste unter sich. Trat  bei einem Verkehrsunfall die Polizei auf den Plan, entschied ihr Sachverstand.  Ein Gericht anzurufen, war große Ausnahme. Niemand hatte im „Unrechtsstaat DDR“  das Gefühl, dass vor Gericht Geld eine Rolle spielte. „Beziehungen“ konnten  nützlich sein, doch ihr Vorteil hielt sich in Grenzen. Fühlte sich ein Bürger  ungerecht behandelt, ging er nicht „zur nächsten Instanz“. Er formulierte eine  „Staatsratseingabe“. Höher ging es nicht. Dann prüfte eine Kommission.  Erfahrungsgemäß war das für den betroffenen Staatsdiener ein peinlicher  Vorgang. Denn es wurde meist nicht nur dieses eventuelle Fehlverhalten, sondern  seine ganze Arbeitsweise überprüft. Das bringt automatisch ein schlechtes  Gewissen mit sich. Und so suchte jeder „Staatsdiener“ eine „Staatsratseingabe“  tunlichst zu vermeiden.  Im „Rechtsstaat Bundesrepublik“  gibt es keine „Staatsratseingabe“. Es gibt die „nächste Instanz“ und eine  „Petition an den Bundestagsausschuss“. Das Wort „Petition“ heißt auf deutsch  „Bittschrift“. Diese „Bittschrift“ wäre der „Staatsratseingabe“ vergleichbar,  zumindest formal. Man bittet um Gerechtigkeit?  Natürlich muss man bitten, hat  man kein Kapital! Wer sich diese Zusammenhänge auch unter dem Blickwinkel der  Wortwahl unserer „Rechtsprecher“ deutlich macht, sieht: Seit Königs und der  Fürsten Zeiten bittet „der Untertan“ um Gerechtigkeit, das Kapital macht die  Gesetze und interpretiert sie mithilfe der von ihm bezahlten Rechtsanwälte vor  Gericht. Das Rechtssystem wird so gehandhabt, die Akteure empfinden es als  normal – so werden unmerklich auch Staatsanwaltschaft und Richter in dieses  kapitalgesteuerte Rechtssystem eingebunden. Sie sind von sich überzeugt, Recht  zu suchen und zu sprechen „im Namen des Volkes“ und tun es „im Namen des  Kapitals“! Und sicher sind sie entsetzt, wenn sie diese Zeilen lesen. Ich  verstehe ihr Entsetzen. Wer denkt schon in diesen Bahnen? Doch diese Bahnen  entsprechen der Logik und der gesellschaftlichen Praxis. Man muss sie sich nur  deutlich machen. Wer? Bürger, Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter! Denn:  An eine Böswilligkeit der in unserem Rechtssystem handelnden Akteure glaube ich  nicht. Sie wissen es nicht besser!  Das kann man ändern!  |